Brauchen wir eine neue, innovative Branchenkultur?

Kommentar

Dieter Scholz

Autor: Dieter Scholz

Wer sich mit wachen Augen und Ohren über die derzeitige Entwicklung der Bekleidungs- und Textilbranche informiert, muss zwangsläufig zu der Erkenntnis kommen, dass viele Konzepte sowohl beim Handel als auch bei den Produzenten in die Jahre gekommen und damit Auslaufmodelle sind. Anders kann man die immer häufigeren Botschaften um Pannen, Pech und Pleiten nicht schönreden. Aber was wurde versäumt?

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Vieles deutet darauf hin, dass man das Wort „Change“ gerne in den Mund nimmt, aber in der Konsequenz nur halbherzig agiert. Dass sich der Produzent darüber beschwert, wenn er vom Handel als Warenlager benutzt wird, ist ja bekannt, und dass der Handel über den Lieferanten meckert, weil der zu wenig dafür tut, damit die Marke vom Konsumenten wahrgenommen wird, auch. Fest steht: Solange sich Handel und Industrie weiterhin auseinanderdividieren, anstatt aufeinander zuzugehen, werden sich neue Kanäle auftun, die wenig Raum bieten für gemeinsam gesteuerte Konzepte, mit denen beide Seiten gutes Geld verdienen. Wie sagte Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) anlässlich des Deutschen Handelskongresses: „Wir werden einen erfolgreichen Einzelhandel hierzulande nur haben, wenn wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass nachhaltiges Wachstum gewährleistet ist.“ Was er dabei vergessen hat, dass es nicht nur ums Handeln, sondern auch ums Produzieren geht, und das hat was mit internationalem Business zu tun, mit all seinen Schwächen.

Auch im vergangenen Jahr waren wieder mehr Pakete unterwegs, als im Jahr zuvor.

Aber wie kommt es, dass insbesondere große Namen beider Seiten auf der Liste der Insolvenzen stehen? Vor lauter Expansion in immer größere Verkaufslandschaften beim Handel und mit teuren Diversifikationen und Kollektionssplittings bei der Industrie ist viel verbrannt worden: Geld, Vertrauen und Image, untereinander und gegenüber dem Konsumenten.
Dabei gibt es sehr gute Ansatzpunkte für neue, nachhaltig aufbauende Konzepte, die beide Seiten stärken können.

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Wir leben heute nicht mehr in der Welt der Waren, sondern der Informationen und Dienstleistungen. Dabei spielt die nicht aufzuhaltende Digitalisierung der Branche insgesamt eine herausragende Rolle. Das wird zwangsläufig dazu führen, dass Handel und Industrie aufeinander zugehen müssen, um in Gemeinsamkeit bedarfsorientierte Strategien zu entwickeln, Projektpartner werden, um so den direkten Weg zum Konsumenten zu finden. Dabei wird es aber nicht heißen „only online“ sondern „online first“, denn nicht nur die alten, sondern zunehmend die jungen Konsumenten legen auch Wert auf stationäre Einkaufsangebote an Orten der Begegnungsmöglichkeiten und als Quelle für Inspirationen.

Gefragt sind hybride Lösungen. On- und offline wird der Konsument je nach Anlass aufrufen. Hierbei wird aber die größte Herausforderung in der Logistik liegen, die zu einer „Vereinfachung bis zur letzten Meile“ führen muss. Ja, es gibt viel zu tun, aber noch wichtiger ist es zu erkennen, wo es langgehen wird, und den Mut zu haben, Erfolge auch zu teilen. Die Instrumente sind da, die Software dazu auch, an Ware wird es nicht fehlen und das Beste: Auf der anderen Seite steht der Konsument, der sein Geld gerne ausgeben will. Die Kluft dazwischen muss gemeinsam überwunden werden, durch Vertrauen, Mut, Motivation und Überzeugung. Wenn alles besser werden soll, dann muss es anders werden. Das ist die Botschaft zu einer neuen innovativen Branchenkultur, die den Handel und die Industrie wieder zu mehr Miteinander verbinden kann.

Dieter Scholz
Stellvertretender Chefredakteur